Fleiß und Gehorsam – Bildchen als Belohnung für brave Kinder
„Sehr gut, Prüfung geschafft, komm in der Kanzlei vorbei, dann gibt’s ein Fleißbildchen.“ Dieser Einladung meines Vaters sind einige meiner Freunde sowie Jüngere aus dem Verwandtenkreise nur zu gerne nachgekommen. Wussten sie doch: Da gibt es ganz besondere Fleißbildchen. Nicht jene bunten, mit einem kindgerechten, oft religiösem Motiv samt entsprechendem Spruch versehenen Kärtchen. Sondern die seriösen Noten mit einem Bild von Erwin Schrödinger und dem Aufdruck Tausend Schilling.
Die Absicht des Vaters hinter dem Verschenken solcher Bildchen war wohl dieselbe wie einst in den Schulen, wo es zwar keine „Schrödinger-Bildchen“ mit tatsächlich materiellem Wert sondern jene mit schönen Engelchen-Motiv gab: die Belohnung „des Kindes“ für eine gute Leistung.
Bis in die 1970er-Jahre hinein war die Verteilung von Fleißbildchen in den Grundschulen speziell im deutschsprachigen Raum eine weit verbreitete Sitte. Überreicht vom Lehrer, von der Lehrerin an den Schüler für Dinge, die man gut gemacht hat. Oft natürlich ganz einfach nur für das Brav sein. „Dem braven Kind. Fleißbildchen. Ein fast vergessenes Stück Schulkultur.“ So betitelte der ehemalige deutsche Pädagogik-Professor Hans Gärtner sein 2014 erschienenes Buch zu diesem Thema (Poppe Verlag Windberg, 210 Seiten, ISBN 978-3-932931-84-0). Ein bisher wohl einmaliges wie umfassendes Werk zur Thematik.
Erziehung
Lobzettel oder Fleißkärtchen wurden die handlichen Bildchen ebenso genannt. Die ersten tauchen Anfang des 19. Jahrhunderts an Schulen auf, ab der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts finden sie auch Dank des technischen Fortschritts in der Drucktechnik massenhaft Verbreitung. „Fleiß und Gehorsam“ waren - bis in jüngster Zeit - in der (Schul-)Erziehung maßgebliche Richtlinien. Standen auf der einen Seite Strafmaßnahmen durch körperliche Züchtigung mit der Hand, Stab oder Lineal, repräsentierten die Fleißbildchen die andere Seite, jene der Belohnung. Ganz nach dem Motto „Ohne Fleiß kein Preis“.
„Liebst du Arbeit und Gebet, /immerdar dir’s wohl ergeht“, lautete etwa einer der zu den Bildern abgedruckten Sprüche. Religiöses mit Jesus, Engel, Heiligen zählt - anders als man heute glauben möchte – beileibe nicht zu den dominierenden Motiven auf den Bildchen. Tiere wie Bienen, Ameisen als Sinnbild für „fleißig sein“ oder der Hahn als Zeichen für den Frühaufsteher sind allerorten zu finden, gleich wie Kinder in alltäglichen Situationen. Samt vielfach kitschigen Spruch-Formulierungen.
„Ich bin noch kein großer Sportler, und mein Schlitten ist auch kein Bob, doch möcht’ ich auf schnellem Wege dich erfreuen. Verdien‘ ich kein Lob?“, lässt die Tiroler Malerin Maria Spötl auf einem ihrer Fleißkärtchen wissen und malte dazu ein lächelndes Kind auf der Rodel. Zu den bekannten Künstlern, deren Werke sich auf Fleißbildchen finden, zählen neben Maria Spötl etwa die Klosterfrau Innocentia Hummel, der „Kasperlgraf“ Franz von Pocci oder Ida Bohatta-Morpurgo.
Andacht
Eng verwandt mit den Fleißbildchen sind natürlich die Andachts- oder Heiligenbildchen, ebenfalls oft genug zwischen Kunst und totalem Kitsch schwankend. Diese sind, so sagt die Wissenschaft, ein noch viel älteres Phänomen, zurückreichend bis in das 14. Jahrhundert. Damals noch Einzelstücke, gemalt in Frauenklöstern. Die Anfertigung in Serie, etwa mit Holzschnitt, Kupferstich, erfolgte erst später, ab dem 19. Jahrhundert dann die Massenproduktion.